D-Cycloserin unterstützt das Umlernen in der Therapie – Berliner Angstforscher suchen Teilnehmer für aktuelle Studie. Zur Behandlung phobischer Störungen hat sich Exposition in den letzten Jahren als die wirksamste Methode in modernen, evidenzbasierten psychotherapeutischen Behandlungen etabliert.
Nach einer entsprechenden psychoedukativen Vorbereitung gelingt es vielen Betroffenen, sich den angstauslösenden Situationen auszusetzen und – unterstützt durch einen erfahrenen Therapeuten – so lange in der Situation zu bleiben, bis sie die Erfahrung machen können, dass die Angstreaktion mit allen quälenden Gedanken und körperlichen Symptomen von allein aufhört, ohne dass dabei ein körperlicher oder psychischer Schaden entsteht.
Was dabei stattfindet, ist ein Lernprozess, in dem neben den alten, angstbesetzten Gedächtnisinhalten neue, positive Erfahrungswerte im Gehirn verankert werden. Dies geschieht innerhalb eines Prozesses, der synaptische Sprossung genannt wird. Hierbei werden, definiert durch die spezielle Organisation von Verknüpfungen im synaptischen Netzwerk, neue Erfahrungen gespeichert. Allerdings stehen diesen die bisher gemachten negativen und angstbesetzten Erfahrungen übermächtig zur Seite.
Da ängstigende Erfahrungen von den Betroffenen immer wieder und wieder gemacht werden, gibt es für diese auch ein viel feineres und weiter ausgereiftes Netz von synaptischen Verknüpfungen. Die dort abgespeicherten Erfahrungen lassen sich viel schneller aktivieren und dominieren das Erleben und Verhalten. Ziel ist es also, die noch wenigen und nicht weit verknüpften neuen, positiven Erfahrungen zu stärken; ihnen immer wieder neue, positive Aspekte zur Seite zu stellen, um ein immer stärkeres, größeres und negativen Erfahrungen widerstehendes Netz an neuen, angstfreien Erfahrungsinhalten zu bilden. Umso elaborierter und größer dieses wird, desto eher und schneller werden nun dessen Erinnerungen abgerufen. Bei neuerlichen Kontakten mit ängstigenden Situationen oder Objekten wird also immer öfter mit nicht angstassoziiertem Verhalten reagiert. Und je häufiger dies geschieht, umso stärker und von Ängsten unirritierbarer wird das neuronale Netz, und desto einfacher gelingt das Abrufen der dort gespeicherten Erinnerungen und des Verhaltens.
Wenn all dies einem Lernprozess unterliegt und sich Psychotherapie diesen Mechanismus zunutze macht, stellt sich die Frage: Wie kann dieser Lernprozess unterstützt oder beschleunigt werden, um Menschen, die unter Ängsten leiden, schneller zu stabileren Behandlungserfolgen zu verhelfen? Seit einiger Zeit wird im Rahmen dieser Fragestellung das Medikament D-Cycloserin untersucht. Es handelt sich dabei um ein Antibiotikum, das seit vielen Jahren in der Tuberkulose-Behandlung eingesetzt wird und zudem die Eigenschaft hat, die neuronale Sprossung zu unterstützen. Das bedeutet, es kann auch dabei helfen, die in einer Therapie gemachten neuen, positiven Erfahrungen durch Anregung neuronaler Sprossung besser im Gedächtnis zu verankern und somit den negativen Gedächtnisinhalten, die sich im Rahmen der Erkrankung aufgebaut haben, nach und nach immer stärker werdende positive und korrigierende Erfahrungen entgegenzustellen. Für Menschen mit Höhenangst, sozialer Phobie oder starker Agoraphobie konnte mit einer Kombination aus moderner Verhaltenstherapie und der Gabe von D-Cycloserin bereits ein besserer Behandlungserfolg erzielt werden.
Aufbauend auf diesen ermutigenden Befunden widmen sich Teams aus Ärzten und Psychologen in der Angstambulanz der Charité in Berlin Mitte, an der TU Dresden und der Universität Greifswald aktuell der Frage, ob und wie genau die expositionsbasierte Psychotherapie der Panikstörung und Agoraphobie durch D-Cycloserin verbessert werden kann. Die Teilnehmer nehmen nur einmalig eine Tablette D-Cycloserin ein, die nur dem Fünftel der Dosis entspricht, die Patienten im Rahmen einer Tuberkulosebehandlung über mehrere Tage oder Wochen einnehmen müssen. Wie für die hohen Standards klinischer Studien maßgeblich, schließen zuvor natürlich auch wir mögliche Kontraindikationen der Einnahme des D-Cycloserin durch entsprechende Voruntersuchungen aus. Dazu findet eine eingehende ärztliche Untersuchung (u.a. EKG, Laboruntersuchung von Blut und Urin, psychiatrische Untersuchung, Interview) statt.
Für diese Studie suchen wir Teilnehmer, die aktuell unter einer Panikstörung oder Agoraphobie leiden. Interessenten können sich zur weiteren Beratung gerne per Telefon (030/450-617017) oder E-Mail an Dipl.-Psych. André Wittmann wenden ( andre.wittmann@charite.de).
von André Wittmann u. Andreas Ströhle, gefunden auf www.panik-attacken.de